Führung und Controlling

Von Dr. Christian Marettek

Vgl. Marettek 2016, Steuerungsprobleme großer Universitäten in Zeiten der Exzellenzinitiative, S. 128 und 143ff.

Controlling-Begriff

Controlling bedeutet planungs- und kontrollorientierte Koordination. In der betrieblichen Praxis geht es regelmäßig um planungs- und kontrollorientierte Berichte. Man kann insoweit von entsprechenden Standardberichten sprechen, die nach Möglichkeit aus dem ERP-System entnommen werden können. Teilweise wird auch die ganze Planungs- und Budgetierungsfunktion im Rahmen des Controllings mitbetrachtet.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist Controlling eine betriebswirtschaftliche Subdisziplin, die sich hauptsächlich mit Planungs-, Kontroll- und Berichterstattungsfunktionen beschäftigt und die in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand (im Sinne eines Subsystems der Führung).

Wenn berücksichtigt wird, dass jede wissenschaftliche Fachdisziplin eine methodisch fundierte Sprachwelt darstellt (deren Teilwelten auch als Paradigmen aufgefasst werden können), dann stellen sowohl die Managementlehre als auch die Controllinglehre als BWL-Teilgebiete jeweils methodisch gebildete Sprachwelten dar, über die im weltweiten Maßstab unterschiedliche wissenschaftliche Communitys wachen.
Derartige wissenschaftstheoretische Hinweise können durchaus von einiger Praxisrelevanz für öffentliche Einrichtungen sein, die zum Beispiel häufig betriebswirtschaftliche Konzepte pflichtbewusst „möglichst komplett“ umsetzen – ohne zu beachten, dass es zum Beispiel auch ein Zuviel an Controlling geben kann.

Jürgen Kegelmann 2007, New Public Management, Möglichkeiten und Grenzen des Neuen Steuerungsmodells, S. 193ff. und 230ff., zeigt beispielsweise, dass die herkömmliche Controllingkonzeption zahlreiche epistemologische (weltanschauliche) Grundannahmen beinhaltet, die häufig übersehen werden. Nach der klassischen Controllingtheorie soll Controlling Zweckrationalität und Zielerreichung sichern, indem es geeignete Informationen liefert, damit sachlich richtige Entscheidungen getroffen werden: Es werden also eine linear-sequenzielle Abfolge der Prozessschritte Planung, Entscheidung, Vollzug und Kontrolle sowie eine objektive Messbarkeit der Zielerreichung unterstellt – entgegen der betrieblichen Praxis, die durch und durch interessenbeeinflusst ist und deren Controlling zwangsläufig nur eine begrenzte Aussagekraft bzw. Wirkung erreichen kann.


Gefahr einer zu umfangreichen Controlling-Bürokratie

Der Leser wird sich vielleicht wundern: Aber auch nach den Erfahrungen des Verfassers kann gerade die Controllingfunktion selbst ursächlich für zahlreiche Unwirtschaftlichkeiten sein. Dabei geht es keinesfalls nur um eine zu differenzierte Kostenrechnung oder eine nicht bedarfsgerechte oder zu aufwendige Berichterstattung.
Vielmehr stellt die Controllingfunktion an sich immer eine Form der „Beschäftigung mit sich selbst“ dar, deren Nutzen größer sein sollte als die durch das Controlling verursachten Kosten – was zumeist niemand messen kann. Dabei entstehen nicht nur erhebliche Kosten in der Controllingstabsstelle, sondern natürlich auch durch das Lesen der Controllingberichte, durch insoweit vielleicht ausgelöste Stellungnahmen, interne Meetings usw.
Im Grunde wird eine zusätzliche Bürokratie aufgebaut, die sich immer selbstkritisch bewusst sein sollte, dass der eigentliche Maßstab der Bürger bzw. Kunde sein sollte –
ob am Ende des Controllingdiskurses der Betrieb oder die Verwaltung wirklich bessere Leistungen für die Bürger bzw. Kunden erbringen kann bzw. tatsächlich
Wirtschaftlichkeitssteigerungen möglich werden.
Reinhold Sprenger 2013, Radikal führen, S. 112 und 119ff. bringt hierzu einen meines Erachtens beachtenswerten Schwerpunkt, der geeignet ist, die im Hauptteil zusammengefassten Führungsgrundsätze der Managementliteratur zu ergänzen. Sprenger spricht – bezogen auf das häufig überzogene Controlling in der gewerblichen Wirtschaft – von einem weit verbreiteten Kontrollwahn mit erheblichen Transaktionskosten und nennenswerten Fehlsteuerungseffekten (z. B. unnötig demotivierenden Effekten).
„Gerade die Apostel der Effizienz, die Controller, erzeugen in ihrem Bemühen, die Effizienz zu steigern, oft neue und höhere Transaktionskosten.“(ebenda S. 112)
Sprenger erläutert, dass schon der regelmäßige Planungs-/Budgetierungsprozess (zu Beginn des Geschäftsjahres) häufig so viele Personalressourcen binde, dass mehrere namhafte Unternehmen mittlerweile auf eine differenzierte Budgetierung wegen fehlender Steuerungswirksamkeit verzichten (er nennt u. a. Aldi, Hilti, Zehnder, Southwest Airlines). Damit stimmt Sprenger den betriebswirtschaftlichen Ansätzen des „Beyond Budgeting“ zu – in diesem Zusammenhang wird das bewusste Loslassen als Vertrauensakt propagiert (hier z. B. gegenüber dem jeweiligen Aldi-Marktleiter).
Wenn man demgegenüber die umfangreichen Planungs- und Kontrollbürokratien der meisten Konzerne betrachtet (bei häufig geringem Nutzen), ist hier eine gewisse Kurskorrektur der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis meines Erachtens wünschenswert (nach drei Dekaden, die stark durch den Ausbau der Controllinginstrumente geprägt waren).


Fazit: Maßvolles Controlling mit prioritärer Führung

Nach Überzeugung des Verfassers sollte das Controlling nicht grundsätzlich infrage gestellt werden (im Gegensatz zur Budgetierung). Controllinglehre und -praxis sollten nur stärker und kontinuierlicher die Kosten-Nutzen-Relation aller Berichte berücksichtigen – damit wirklich nur ausgewählte steuerungsrelevante Berichtsinformationen überhaupt erst erstellt werden. Hierbei kommt es zwangsläufig ganz stark auf die Praxiserfahrung an, mit der das Controlling-Konzept umgesetzt wird. Es hat im Grunde nur einen Sinn, wenn im Controlling ein tiefes betriebswirtschaftlichen Branchen-Knowhow existiert.

Die Verantwortung der Führenden, kontinuierlich qualifizierte Führungsarbeit zu leisten, wird durch Controlling nur ergänzt.